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Verstand und Intuition

Die Menschheit beschäftigt sich seit der Antike mit der Dualität von Verstand und Intuition. Vor der Aufklärung galt die Intuition als die höchste Form der Erkenntnis, sie war jedoch nur auserwählten Menschen wie Propheten, Priestern und Sehern vorbehalten. Philosoph René Descartes prägte im 17. Jahrhundert mit dem Satz "Ich denke, also bin ich" das Bild des Menschen neu. Der Verstand wurde auf ein Podest gehoben, die Intuition in die Schublade „Irrationales“ gesteckt. Im 21. Jahrhundert kehrte die Intuition in unseren Alltag zurück, diesmal nicht als exklusive Fähigkeit weniger Auserwählter, sondern als ein einfaches, zugängliches und starkes Werkzeug der spirituellen Entwicklung sowie des persönlichen Wachstums in allen Lebensbereichen.

 

"Es gibt nichts Mystisches an der Intuition", sagte James Dewey Watson, US-Amerikanischer Mikrobiologe und Nobelpreisträger, einer der Wissenschaftler, die die DNA-Doppelhelix entdeckt haben. In seinem Buch „Die Doppel-Helix“ beschreibt er, wie Theorie, intuitive Eingebung und präzise Beobachtung sich gegenseitig befruchten und ihm halfen, das Bild der Doppelhelix Puzzlestück für Puzzlestück zusammenzusetzen.

Intuition, so Jack Canfield, ist "die Fähigkeit zu wissen, bevor man denkt". Sie ist ein wunderbares Werkzeug der Wahrnehmung der Welt, die es den Menschen ermöglicht, die eigene Energie und die Energien der Umgebung zu spüren, Antworten zu bekommen und Dinge einfach zu wissen. Als Jugendliche beschäftigte ich mich intensiv mit der Mathematik und galt als mathematisch hochbegabt. Ob ich das war, weiß ich bis heute nicht. Ich liebte die Mathematik und oft wusste ich einfach das Ergebnis von Aufgaben, ohne den Lösungsweg zu kennen. Die Lösung lag für mich „in der Luft“, ich brauchte sie lediglich „einzuatmen“ und musste nur noch den Lösungsweg „entdecken“. Heute weiß ich, dass ich schon früh meine Intuition nutzte.

 

Intuition ist die direkte Wahrnehmung von reiner Energie oder reiner Information. Wenn wir der Meinung sind, dass die "Intuition fehlgeschlagen" ist, dann nur deswegen, weil unser Denken und unsere Emotionen die empfangene Information verzerrt interpretiert haben. Intuition ist wie ein kleiner Lichtblitz, der zu erlöschen beginnt, sobald er erscheint. Der stärkste Moment ist der Erste. Und das ist aus Sicht des Verstandes das Paradoxe an der Intuition: Sie liegt auf der Hand, verschwindet jedoch, sobald wir versuchen sie festzuhalten, zu bewerten oder zu interpretieren. 

Die Intuition ist eine „launische Dame“: Hat sie das Gefühl, dass ihr zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, beginnt sie zu schmachten und fällt nach einer Weile in einen tiefen Schlaf. Dabei ist sie ein Geschenk, das jeder von uns besitzt, jedoch nur wenige Menschen nutzen. Selbst diejenigen, die eine gut entwickelte Intuition haben, zögern oft, sie zu gebrauchen. Vielleicht liegt es daran, dass wir darauf konditioniert sind, zu glauben, dass Logik und rationales Denken Zeichen hoher Intelligenz sind?

 

Albert Einstein legte großen Wert auf Intuition. Er war der Meinung, dass ohne Intuition nicht nur große Entdeckungen unmöglich seien, sondern auch Antworten auf komplexe Fragen. Unsere Welt wird immer schneller und komplexer. Dieses Phänomen wird häufig mit dem Begriff „VUCA“ beschrieben. Unternehmen müssen sich dieser Situation anpassen. Das Problem dabei: Durch die Komplexität ist es schwer, Kausalitäten zu erkennen. Eindeutige Wenn-Dann-Beziehungen gibt es nicht mehr. Winzige Veränderungen können große Auswirkungen haben, oft an den Stellen, wo es am wenigsten vermutet wird. Entscheidungen, die auf mono-kausalen Beziehungen basieren, erweisen sich deshalb häufig als falsch. In Anlehnung an Einstein gehört daher die Intuition meiner Überzeugung nach zum elementaren Rüstzeug der Entscheidungsträger.

 

Meditation ist ein Weg, den Zugang zur eigenen Intuition freizuschaufeln. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass je länger und konstanter Meditation praktiziert wird, es umso einfacher ist, den Kontakt mit der eigenen Intuition, mit der inneren Stimme, aufzunehmen. Gerade in Situationen, in denen ich das Gefühl habe, nicht zu wissen, was zu tun ist und wo es langgehen soll, hilft es mir, in die Stille zu gehen und mich meiner Intuition anzuvertrauen. Habe ich die „Lösung“, nutze ich meinen Verstand, um sie umzusetzen. So ergänzen sich Verstand und Intuition wunderbar und bilden einen Einklang. Eigener Intuition zu vertrauen heißt für mich, sich selbst zu vertrauen. Aus dem Selbstvertrauen erwächst die Gelassenheit und aus der Gelassenheit entstehen Lebenszufriedenheit und Leichtigkeit. In diesem Zustand ist das Leben eine reine Freude.

 

 

 

© 2019 by Dr.  Samo Margarita V. Tchouvakhina